Dienstag, 10. März 2020

3. Teil: Die Harzburg verliert ihre Bedeutung für die Kaisergeschichte - und findet neues Interesse im 19. Jahrhundert


Die Harzburg als staufische Reichsburg

 
Goldene Bulle Friedrichs II. (1212). Auf der "Bulle" - eine Art Siegel - für wichtige Urkunden, bezeichnet sich Friedrich II. als König von Sizilien und als gewählter römischer Kaiser, was er aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht war. Der wehrhafte Bau auf der Bulle weist auf den Burgenbau hin, den Friedrich zur Festigung seiner Macht in seinen Herrschaftsgebieten unternahm. Das Bad Harzburger Stadwappen - siehe nächster Blog - hat ein ähnliches Burgsymbol (Die Bulle befindet sich in der Goldsiegelsammlung des Vatikanischen Archivs, Bild: wikimedia commons, Enzian 44)
 

Mit dem Tode Ottos ging die Harzburg wieder in staufische Verfügung über. Die Lehnsträger der Familie Wohldenberg, die Friedrich II. die Reichinsignien auf dem Reichstag zu Goslar 1219 ausgeliefert hatten, genossen das Vertrauen Friedrichs II. So wird Friedrich die gut befestigte Reichsburg zwar im Blick gehabt haben: wohl auf sein Betreiben ging der Plan zurück, nach der Gefangennahme des im Norden mächtig gewordenen dänischen Königs Waldemar II. und seines Sohnes durch den Grafen Heinrich von Schwerin,  den Königssohn und eine große Summe Lösegeldes auf der Harzburg sicher zu stellen. Aber von einem engeren Bezug Friedrichs zu ihr ist nichts bekannt, ebenso wenig bei seinen Nachfolgern als römisch-deutsche Könige, den Söhnen Heinrich VII. und Konrad IV. Der Schwerpunkt der staufischen Reichspolitik lag nicht mehr im Norden Deutschlands. Beim Tode des letzten Staufers Konradin 1268 (Hinrichtung in Neapel durch Karl von Anjou) und vollends im „Interregnum“, der kaiserlosen Zeit (bis 1243: Wahl Rudolph IV. von Habsburg zum Kaiser), scheint der Status der Harzburg als Reichsburg nahezu vergessen worden zu sein. Sie konnte als solche unter den geschichtlichen Umständen auch gar keine Rolle mehr spielen. Schwier schreibt (a.a.O., S. 39): „Seit den Anfängen der Territorienbildung wurde auch die Harzburg zum Objekt der regionalen politischen Kräfte am Nordharz."

 

Die Harzburg im Wechsel territorialer Besitzansprüche

Harzburg
"Rekonstruktion" des späten Zustandes der Harzburg. Das sehr idealisierte Bild geht auf ein romantisierendes Gemälde des Heimatforschers Karl Berthold Fischer zurück  (nächstes Bild), der das Bild der Burg auf Grund der Ausgrabungen des Forstrats Robert Nehring  im Jahre 1902 angelegt hat ("Die Stätte der alten Harzburg und ihre Geschichte", Bad Harzburg 1905).  Die Darstellung wird als "Logo" verwendet auf der Website www.die-harzburg.de des

Fördervereins Historischer Burgberg Bad Harzburg e.V.  

 



Harzburg
Die imaginierte Ansicht der Harzburg findet sich auch auf einem Schild vor der Ringmauer der Burg 

 
die_harzburg_romantiyierendes_gemälde
Ein weiteres romantisierendes Gemälde  der Burg (unbekannter Maler / 19. Jh.?) - es hängt in der Gastwirtschaft  "Aussichtsreich" auf dem Burgberg

In dieser dritten Phase ihrer Geschichte war die Burg in der Verfügung mehrerer Adelsfamilien, oft geteilt unter zwei Parteien, zuerst der Grafen von Wernigerode, dann der Ritter von Schwicheldt, die 1369 als Vögte von dem Herzog Otto von Braunschweig-Göttingen, dem „Quaden“ (dem „Bösen“), eingesetzt wurden und ihre Stellung als „Raubritter“ missbrauchten. Auch die Goslarer setzten sich 1486 in Besitz der Harzburg und erhoben immer wieder Ansprüche auf sie. Unter den Schwicheldts wurde bei der Wiedereroberung der Burg durch die Wernigeroder Grafen der geschichtsträchtige Ostteil der Burg zerstört. Er war fortan Gemüse- und Kräutergarten: „Petersilienbleek“. Schließlich kam die Burg wieder in die Hände des Welfenhauses, und zwar an die Wolfenbütteler Linie, die sie nach verschiedenen Streitigkeiten 1547 unter Herzog Heinrich II., dem „Jüngeren“, von Braunschweig-Wolfenbüttel, endgültig in Besitz nahm. Zeitweise diente sie Mitgliedern der herzoglichen Familie als bescheidene Residenz. Erwähnenswert ist auch, dass zu dieser Zeit ein Marienbild in der schon länger bestehenden Burgkapelle einen großen Zulauf hatte, angeblich gab es hier Wunderheilungen. Das Marienbild soll am Saum ein kleines „Crodo- oder Teuffel“ – Abbild getragen haben. Die Nennung „Krodos“ dürfte hier eine volkstümliche Zuschreibung sein, es handelt sich wohl eher um einen emblemhaften Hinweis auf die Überwindung des „Bösen“ durch Maria. Diesem „neuen Greuel“ und „heidnischen“ Treiben wurde durch die „hohe Christliche Obrigkeit“, nämlich Herzog Julius, ein Ende gesetzt, als er die Reformation im Herzogtum einführte, so berichtet der evangelische Schriftsteller Martin Zeiller in Merians „Topographia…“ (1654). 

 

Harzburg
Die Harzburg bei der fürstlichen Bestandsaufnahme 1574 (in einem Codex der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel). Das Bild zeigt die Burg in der Vogelschau von der Nordostseite her, also nicht von der Blickseite her, die man vom Zentrum von Bad Harzburg aus hat. Links der verlassenen Ostteil ("Petersilienbleek"), rechts die ehemalige Westburg (Foto nach einer Tafel auf dem Harzburggelände) 

Erste Abbildungen der Burg belegen, dass nur noch der Westteil der Burg als solche existierte. Trotzdem muss dieser noch eine stattliche, wenn auch baufällige Anlage gewesen sein. Ein Bestandsbild von 1574 zeigt die Anlage, umgeben von der alten Ringmauer, deren schadhafte Teile wohl durch Palisaden ersetzt wurden. Aus dem Burggelände ragen zwei Türme hervor: der der Burgkapelle am Nordrand und der „Pulverturm“, der alte Turm Ottos IV., in der Mitte der Ostmauer; aber auch der Brunnen scheint mit einem Türmchen überdacht worden zu sein. Der Eingang zur Burg befindet bei der Kapelle. Östlich von ihr liegt ein Quertrakt an Gebäuden, der Sitz des Amtmanns und Wirtschaftsgebäude. An das Amtshaus schließen nördlich das fürstliche Wohnhaus und der alte Brunnen an. Zwischen Kirche und südlicher Ringmauer liegt eine große freie Fläche. Das Gesamtareal erstreckt sich von dem Turm Ottos bis über das heutige Restaurant-Hotel hinaus. Ein Graben trennt die Anlage vom „Petersilienbleek.“

Herzog Julius plante, die Burg zu einer zeitgemäßen Festung mit Bastionen auszubauen. Dies unterblieb aber aus Geldmangel. Im Dreißigjährigen Krieg erhielt die Harzburg noch einmal eine Besatzung. Dann war aber ihr Ende gekommen: Herzog August der Jüngere befahl 1650/51 den Abriss. 

                      Eine letzte originale Darstellung der Harzburg 1643 

Harzburg
...sie befindet sich auf einem Epitaph des Fürstlich-Braunschweigischen Oberamtmannes Johann Wilhelm Hage in der evangelischen Sankt-Andreas-Kirche ("Schlosskirche") in Bad Harzburg-Bündheim. Das Bild zeigt den Amtmann, seine Frau Marie Krekeler und ein Kind unter dem Gekreuzigten

Harzburg
Die Burgansicht vergrößert...

Harzburg
...und hier noch größer. Man erkennt den verfallenen Zustand der Burg. Sie ist aber immer noch durch Palisaden notdürftig befestigt. Links ist der Pulverturm zu erkennen, dann folgen die Türme der Wohnanlagen. Der Kirchturm am Eingang rechts ist verschwunden

Hier die Schrifttafel unter dem Bild. Sie gibt Auskunft über den Stifter und seine Frau

Die Ruinen wurden im Laufe der Zeit abgebaut, von der Natur zugedeckt und überwuchert, die geschichtlichen Kenntnisse über die Harzburg schwanden, Sagenbildung setzte ein. Man erzählt von einer „weißen Frau“, die hinter einer Tür im Burgbrunnen Schätze hütet, manche meinen, Kaiser Rotbart und Otto der Große säßen im Berg vor kostbar gedeckten Tafeln und warteten auf die Wiederkehr der alten Reichsherrlichkeit, andere sehen den wilden Jäger Hans Hackelberg, einst als fürstlicher Oberjägermeister auf der der Burg wohnend und von einem Eber getötet, im Heer Wotans über das Burgareal ziehen, ein Basilisk soll im Untergrund hausen und nicht zuletzt beschäftigt die Gemüter ein angeblicher altsächsischer „Götze“ „Krodo“, dem man auf der Burg Opfer brachte.

Im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts erwachte das historische Interesse an der Burg, archäologische Ausgrabungen setzten Anfang des 20. Jahrhunderts ein. Auch die 1875 zu Ehren Bismarcks und zum 800. Jahrestag des Gangs nach Canossa am äußersten Sporn des Burgplateaus errichtete „Canossa-Säule“ zeugt von dem wieder erwachten Interesse an dieser historischen Stätte, wenn auch in preußischer Sicht. Reichkanzler Bismarck erklärte 1872 während des „Kulturkampfes“ (mit der katholischen Kirche und Pius IX.) im Reichtag - anläßlich der Zurückweisung des deutschen Gesandten am Vatikan: 
„Seien Sie außer Sorge, nach Canossa gehen wir nicht – weder körperlich noch geistig.“

Harzburg
Die alte Postkarte zeigt die Bismarck-Canossa-Säule mit zwei davor aufgestellten "Walküren", die heute nicht mehr vorhanden sind

Die "Canossa-Säule" - Denkmal der Bismarck-Zeit - und der "Uhlandstein" - Erinnerung an einen Demokraten 

 

Bismarck soll als Student auf dem Burgberg gewesen sein und sich dort mit Johanna von Puttkamer verlobt haben (So liest man in der "Hinrichs-Chronik" bearbeitet von H. H.Wedekind und herausgegeben vom Harzburger Geschichtsverein e.V., 2017, S. 11). Der Einladung zur Einweihung der Säule leistete er - wie er angab - wegen einer ihm aus gesundheitlichen Gründen empfohlenen Bäderreise keine Folge. Er schreibt: 

"Ich werde aber, wo es auch sein mag, so Gott will, die Feier...im Sinne der Unabhängigkeit des deutschen Geistes von Fremdherrschaft mit Ihnen gleichzeitig begehen." (Foto des Schreibens bei: H. Meier / K. Neumann, Bad Harzburg, Chronik einer Stadt, Hildesheim 2000, S. 111)
Zum 80. Geburtstag erhielt der "Altreichskanzlers" das Ehrenbürgerrecht in Harzburg:  
"Wir, der Magistrat der Stadt Harzburg beurkunden hiermit, dass wir unter Zustimmung der Stadtverordneten seiner Durchlaucht dem Fürsten Otto von Bismarck in dankbarer Anerkennung seiner unsterblichen Verdienste um die Wiederaufrichtung des Deutschen Reiches Herrlichkeit das Ehrenbürgerrecht verliehen haben."
Der alte Herr hat sich freundlich bedankt und seinen frühen und mehrfachen Aufenthalt in Harzburg bestätigt:  
"Die Verleihungsurkunde habe ich mit Freuden erhalten...An Harzburg knüpfen sich bei mehrfachen Aufenthalten in der Studentenzeit und später 1846 für mich angenehme Erinnerungen..." ("Hinrichs-Chronik", a.a.O., S. 12)
Die Canossa-Säule und das mit ihr verbundene Gedankengut blieb nicht unumstritten. Für die protestantischen Harzburger Honoratioren war sie Ausdruck ihrer Bismarck-Verehrung, der vaterländischen Gesinnung und der Ablehnung des Absolutheitsanspruches der römisch-katholischen Kirche. Für katholische Zentrumsabgeordnete war sie eine "Schandsäule des Kulturkampfes", Zeichen der Intoleranz gegen Andersdenkende und Minderheiten. Das Denkmal mag heute noch "ein Mahnmal der Irrungen und Wirrungen einer turbulenter Zeit" sein, zumal auch die Nationalsozialisten sich ihrer bedienten. Für sie war Hitler der "neue" Bismarck, was sie mit der Aufpflanzung einer Hakenkreuzfahne vor dem Obelisken kund taten. "Dem Meinungsstreit über Sinn und Zweckmäßigkeit...scheint sie [die Säule]  inzwischen entrückt zu sein" ( Meier / Neumann, a.a.o. S. 113). Für Bad Harzburg ist sie ein Wahrzeichen, das von weither erblickt werden kann, auch abends, wenn die Säule beleuchtet ist. Für den Besucher des Burggeländes ist sie ein Blickfang, der ohne viel Nachdenken und besondere Emotionen zur Kenntnis genommen wird, wobei den meisten dann die Aussicht vom Säulenrondell ins weite Land wichtiger ist. 

Vielleicht sollte man einem bescheideneren Denkmal auf dem Gelände mehr Aufmerksamkeit zuwenden, das einer anderen Tradition verpflichtet ist als die Bismarck-Säule. Dies ist der "Uhlandstein". Er  wurde 1863 zu Ehren des schwäbischen Dichters, Juristen, Literaturwissenschaftlers und Politikers Ludwig Uhland gesetzt. Uhland hat Neustadt-Harzburg zweimal auf Forschungsreisen-Reisen durch Norddeutschland besucht und dabei auch den Burgberg erstiegen. Sicher war er nicht nur an der schönen Aussicht interessiert, sondern auch an der historischen Stätte. Gedichte und Forschungen zeigen seine Kenntnis des Mittelalters. Beim ersten Besuch - 1842 - wurde der gefeierte, aber bescheidene Dichter enthusiastisch empfangen. Damals herrschte in Deutschland und Harzburg eine andere Stimmung als zu Bismarcks Regierungszeiten. Uhland war nicht nur wegen seiner volkstümlichen Dichtungen berühmt und gefeiert, sondern auch wegen seines Eintretens für Rechte und Freiheiten des Staatsbürgers, unter anderem für die Pressefreiheit. Sein Leben lang stand er in Opposition gegen autoritäre Fürstenherrschaft. Er vertrat diese Position unerschütterlich als Abgeordneter des Stuttgarter Landtags und später (1848) als Mitglied des deutschen Nationalparlaments in der Frankfurter Paulskirche. Dort befürwortete er eine großdeutsche und nicht an die preußische Erbkaisertum gebundene Lösung der Nationalfrage (anders als Bismarck). Für ihn sollte das "Reichsoberhaupt" ein von der parlamentarischen Volksvertretung gewählter Präsident sein. Die Erinnerung an diesen aufrechten Demokraten, Republikaner und weitherzigen Patrioten, wäre heute wichtig, auch für Harzburg mit seiner unrühmlichen Vergangenheit der "Harzburger Front" und der Nazi-Zeit.

Ich gebe hier die Schilderung des Besuches des Dichters auf der "alten Harzburg" wieder  - verfasst von seiner Frau, die ihn begleitete:
"Vom Städtchen Harzburg zog man mit Musik voran zur Ruine hinauf und dann zu einem mit Festons [Girlanden] geschmückten Platz in einem Wäldchen. Dort wurde Halt gemacht - aber der Sprecher, der Uhland begrüßen sollte - fehlte. Nach einigem verlegenen Warten kam derselbe, ein schon älterer, freundlicher Consistorialrath und sprach ein lateinisches Begrüßungsgedicht. Es hatte mit "Verehrter Greis" beginnen sollen, als aber der originelle Mann gesehen hatte, daß Uhland noch gar nicht wie ein Greis aussah, war er verschwunden, um die Eingangsstrophe abzuändern. Im Freien wurde nun ein Gabelfrühstück eingenommen, es ging gar lustig zu, die feierlichen Toaste unterblieben glücklicherweise für Uhland. Gegen Abend trennte sich die Gesellschaft, die Einen fuhren nach Braunschweig zurück, und Andere begleiteten Uhlands auf den Brocken, wo die Nacht zugebracht wurde."
Ludwig Uhlands Leben...zusammengestellt von seiner Witwe (Emilie Uhland), Stuttgart 1874, S. 304 - digital: Bayrische Staatsbibliothek

Das Burgareal ist heute ein für Touristen durch Bergbahn, Wanderwege, Restaurant und Erklärungstafeln erschlossenes Gelände, das viel besucht wird. Was die spärlichen Überbleibsel der Vergangenheit bemerkenswert macht, ist die Erinnerung an Menschen, die einst mit der Burg verbunden waren und Geschichten, die von ihnen berichten.

Bad Harzburg Canossa-Säule
Die Bismarck-Canossa-Säule mit der Inschrift-Seite. Im Hintergrund das Restaurant, das sich heute auf dem ehemaligen Westgelände der Burg befindet. Rechts im Bild (zwischen Bäumen) steht das Häuschen der "Harzsagenhalle" mit 14 künstlerischen Darstellungen von Harzsagen in Dioramen
 
Harzburg
Diese Seite der Säule zeigt einen Lorbeer umkränzten Bismarck-Kopf

Harzburg

Harzburg
Der "Uhlandstein" auf dem Gelände der westlichen Harzburg


An das Vaterland.

Dir möcht’ ich diese Lieder weihen,
Geliebtes deutsches Vaterland!
Denn dir, dem neuerstandnen, freien,
Ist all mein Sinnen zugewandt.


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